Verborgende Geheimnisse

Regisseur Nigel Lowery über die Opernpremiere »Il trittico«

Nigel Lowery
Der Regisseur Nigel Lowery ist ein älterer Mann. Er steht im Profil zur Kamera mit Brille, grauem Bart und Glatze und blickt nachdenklich nach vorne. Er trägt ein senfgelbes Oberteil über einem blauen Hemd und hält einen gespitzten Bleistift in der rechten Hand. Der Hintergrund ist weich fokussiert und zeigt dunkle Vorhänge.
Nigel Lowery ist ein britischer Opernregisseur, Bühnen- und Kostümbildner, der für seinen gewagten visuellen Stil und seine einfallsreichen Inszenierungen bekannt ist. Er studierte Bühnenbild an der Central Saint Martin’s School of Art in London. Früh in seiner Karriere gewann Lowerys Bühnenbild für Richard Wagners »Ring« am Royal Opera House Covent Garden (1994.95) einen renommierten Preis für Bühnenbild. Mitte der 1990er Jahre wechselte er ins Regiefach und inszenierte häufig Produktionen mit seinen eigenen Bühnen- und Kostümbildern und ist so für die gesamte Bühnenästhetik verantwortlich. Sein Debüt in Mannheim gab er 2018 mit einer Neuinszenierung von Händels »Hercules«, gefolgt von einer farbenprächtigen Produktion von Wagners »Die Meistersinger von Nürnberg« in der Spielzeit 2018.19. Zuletzt inszenierte er 2023 »Zemira e Azor« im Rahmen der Schwetzinger Festspiele in Zusammenarbeit mit dem NTM.
Über das Stück
Was haben drei Liebende auf einem Kahn, eine Nonne und eine mittelalterliche florentinische Figur aus Dantes »Inferno« gemeinsam? Sie sind die Protagonist*innen dreier Einakter von Puccini, die zusammen sein »Trittico« – das Triptychon – bilden. In der während des Ersten Weltkriegs entstandenen Oper erkennt man trotz der Heterogenität der Teile einen gemeinsamen Weg: von der Finsternis zum Licht, von der Hölle zur Erlösung – oder zumindest den Versuch, etwas Gerechtigkeit zu schaffen.
Interview mit Nigel Lowery
Du arbeitest bereits zum vierten Mal mit dem Ensemble in Mannheim zusammen. Hat das NTM einen besonderen Platz in deinem Herzen?
In gewisser Weise ist es sogar das fünfte Mal – ich habe bereits mit Robert Carson an der »Turandot«-Produktion hier gearbeitet. Ich freue mich sehr, wieder nach Mannheim eingeladen zu sein. Als Regisseur und Bühnen- und Kostümbildner arbeite ich eng mit vielen Abteilungen zusammen, von Kostüm und Maske über Musiker*innen, Techniker*innen, Dramaturgie bis hin zur Verwaltung. Theater ist eine komplexe, kollaborative Kunstform, und ich fühle mich hier außergewöhnlich gut unterstützt.
Was war deine erste Reaktion, als man dich bat, Puccinis »Il trittico« zu inszenieren?
Ich erinnerte mich sofort an eines meiner frühesten Opernerlebnisse am Royal Opera House in London, wo »Suor Angelica« – wie damals noch oft – weggelassen wurde, obwohl sie von den Dreien Puccinis Lieblingsoper war. Ich hatte sie deshalb nie live gesehen. Meine erste Frage war daher: In welcher Reihenfolge spielt man die drei Werke?
Siehst du einen roten Faden zwischen den drei Opern – oder betonst du deren Unterschiede?
Ich finde, man sollte sie als eigenständige Stücke erleben. Es gibt thematische Parallelen, – verborgene Geheimnisse, sogar Leichen – aber Puccinis musikalische Sprache verbindet sie bereits. Spannender finde ich es, für jede Oper einen eigenen interpretatorischen Zugang zu wählen. Das entspricht auch unserem heutigen schnellen Medienkonsum und der Lust auf Abwechslung.
Wie beeinflusst deine Doppelrolle als Regisseur und Bühnen- und Kostümbildner deine Arbeitsweise?
Ich sehe mich nicht als »Gesamt«-Künstler, aber durch mein Kunststudium kann ich mich aus visuellen Fragen nicht raushalten. Zwar fehlt manchmal am Anfang der kreative Austausch mit anderen, aber so kann ich Entscheidungen direkt treffen.
Wie gestaltest du die drei unterschiedlichen Bühnenwelten? Nutzt du Techniken wie Projektionen oder stilisierte Elemente?
Jede Oper bekommt ihre eigene visuelle Sprache. Ich arbeite mit Video und habe dafür erneut mit Thilo Heins zusammengearbeitet, den ich bei meiner »Hercules«-Inszenierung in Mannheim kennengelernt habe. Die Arbeit im neuen OPAL war herausfordernd. Die Baustelle habe ich letztes Jahr noch mit Helm besichtigt! Außerdem sind schnelle Umbauten auf der Bühne nötig, deshalb haben wir drei unabhängige Szenarien gestaltet.
Gibt es musikalische Momente, die besonders herausfordern oder inspirieren?
Die religiöse Apotheose in »Suor Angelica« ist eine der größten Herausforderungen. Heute sind wir eher auf psychologische Lesarten eingestellt, aber Puccini komponiert diese Szene völlig ironiefrei. Interessant ist auch, dass diese Szene das einzige Chorstück im »Trittico« ist – und ungewöhnlich für Puccini fast ausschließlich weiblich besetzt. Diese weibliche Perspektive spielt eine zentrale Rolle.
Wie interpretierst du »Suor Angelica«? Spirituell oder psychologisch?
Ich denke, es geht um eine Balance zwischen Spiritualität, Mythos und Gesellschaftskritik. Puccini zeigt keinen Zynismus, sondern glaubt an diese Erlösung – auch wenn er über seine »heilige Marschmusik« scherzte. Es ist ein Stück, das emotional und intellektuell fordert.
Welche visuellen Einflüsse gibt es bei »Il tabarro«?
Ich nutze Anklänge an ›Film noir‹. Die düstere Atmosphäre, der Fluss als Symbol für Zeit und Schicksal – all das verstärken wir mit Video. Auch die Impressionisten, die »Fauves« und Komponisten wie Debussy haben sich von der Seine inspirieren lassen. Und man spürt in der Oper auch die düstere Welt Zolas, dessen Naturalismus tief im Libretto verankert ist.
Wie siehst du den Humor in »Gianni Schicchi«?
Es ist eine bissige Satire. Die Oper zeigt, wie Menschen für Geld alle Prinzipien über Bord werfen. Auch Schicchi ist kein Heiliger, aber er rettet sich mit Charme. Nur die jungen Liebenden bringen ein echtes Happy End.
Ist denn »Il Trittico« heute noch relevant? Und wie würdest du dein »Trittico« in drei Worten beschreiben?
»Es ist Musiktheater!« Jede Oper, jede Kunst ist nicht nur relevant, sie ist lebensnotwendig. Und drei Worte für »Trittico«? Ist das ein Scherz?!
Das Gespräch führte Stückdramaturgin Eszter Orbán

Veröffentlicht im Theatermagazin Mai 2025
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