Eine Volksfeindin
nach Henrik Ibsen mit Texten von Şeyda Kurt
unter Verwendung der Bearbeitung von Florian Borchmeyer
unter Verwendung der Bearbeitung von Florian Borchmeyer
Dr. Stockmann hat herausgefunden, dass das Kurbad, das ihr selbst eine Anstellung und dem gesamten Städtchen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht, keimverseuchtes und krankheitserregendes Wasser führt. Das Bad muss geschlossen werden, sind sich zunächst alle einig – bis klar wird, was eine Schließung und Sanierung an Kosten mit sich bringt. Ökonomische Sicherheit oder politische Integrität?
Spätestens seit Christian Drosten wissen wir, dass man politische Entscheidungen nicht nur rein nach (natur-)wissenschaftlichen Fakten treffen kann: Der Virologe war stets darauf bedacht, zu betonen, dass er nur aus seiner ganz eigenen Warte beraten, nicht jedoch konkrete Vorschläge machen könne, dafür müsse man Expert*innen aus der Psychologie, der Wirtschaft und anderer Disziplinen hinzuziehen, zu Komplex ist die Gemengelage.
Als Ibsen sein Drama schrieb, am Ende des 19. Jahrhunderts, waren für das bloße Auge unsichtbare Keime noch schwerer zu begreifen als 2020 ein ebenso wenig sichtbares Virus – oder gar die Ursachen eines Klimawandels, vor dem uns bereits in den 1970er Jahren der Club of Rome warnte.
Dr. Stockmann und ihr Bruder, der Stadtrat, zeigen im Kleinen, wie schwierig uns radikale Transformationen zum nachhaltigen Wohle der Gemeinschaft heute im Großen fallen. Denn bereits bei der Frage, wodurch sich das »Wohl der Gemeinschaft« definiert – ökonomischer Gewinn oder die Gesundheit der Kurgäste und das eigene reine Gewissen – zeichnet sich ab, dass sich augenscheinlich gemeinsame Ziele schneller voneinander entzweien als man »Kompromiss« sagen kann. Visionär*innen mit idealistischen Ideen haben es schwer, vor allem in demokratischen Strukturen, denn Demokratie bedeutet in letzter Konsequenz, auszuhandeln und abzuwägen: zwischen Ökonomie und Ökologie, Nachhaltigkeit und Gewinn, Integrität und Umsetzbarkeit. Und Demokratie bedeutet auch, dass gewissen Entscheidungen von der Mehrheit getragen werden müssen und dass Dilemmata entstehen, wenn diese Mehrheit nicht mitgenommen wird auf die Reise komplexer Transformationsprozesse, die auf kurze Sicht unbequem erscheinen und auf lange Sicht die Zukunft eben jener Mehrheit retten.
Die Figuren der nicht näher benannten Vorstadtidylle ringen darum, was das Beste für ihr kleines Städtchen ist und verstricken sich dabei in eigenem Machstreben und der Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit.
Die Journalistin und Autorin Şeyda Kurt hat für die Inszenierung von Katrin Plötner am Nationaltheater Mannheim ausgewählte Texte der Hauptfigur neu interpretiert und leiht Dr. Stockmann in deren schleichendem Radikalisierungsprozess ihre messerscharfe Sprache.
Spätestens seit Christian Drosten wissen wir, dass man politische Entscheidungen nicht nur rein nach (natur-)wissenschaftlichen Fakten treffen kann: Der Virologe war stets darauf bedacht, zu betonen, dass er nur aus seiner ganz eigenen Warte beraten, nicht jedoch konkrete Vorschläge machen könne, dafür müsse man Expert*innen aus der Psychologie, der Wirtschaft und anderer Disziplinen hinzuziehen, zu Komplex ist die Gemengelage.
Als Ibsen sein Drama schrieb, am Ende des 19. Jahrhunderts, waren für das bloße Auge unsichtbare Keime noch schwerer zu begreifen als 2020 ein ebenso wenig sichtbares Virus – oder gar die Ursachen eines Klimawandels, vor dem uns bereits in den 1970er Jahren der Club of Rome warnte.
Dr. Stockmann und ihr Bruder, der Stadtrat, zeigen im Kleinen, wie schwierig uns radikale Transformationen zum nachhaltigen Wohle der Gemeinschaft heute im Großen fallen. Denn bereits bei der Frage, wodurch sich das »Wohl der Gemeinschaft« definiert – ökonomischer Gewinn oder die Gesundheit der Kurgäste und das eigene reine Gewissen – zeichnet sich ab, dass sich augenscheinlich gemeinsame Ziele schneller voneinander entzweien als man »Kompromiss« sagen kann. Visionär*innen mit idealistischen Ideen haben es schwer, vor allem in demokratischen Strukturen, denn Demokratie bedeutet in letzter Konsequenz, auszuhandeln und abzuwägen: zwischen Ökonomie und Ökologie, Nachhaltigkeit und Gewinn, Integrität und Umsetzbarkeit. Und Demokratie bedeutet auch, dass gewissen Entscheidungen von der Mehrheit getragen werden müssen und dass Dilemmata entstehen, wenn diese Mehrheit nicht mitgenommen wird auf die Reise komplexer Transformationsprozesse, die auf kurze Sicht unbequem erscheinen und auf lange Sicht die Zukunft eben jener Mehrheit retten.
Die Figuren der nicht näher benannten Vorstadtidylle ringen darum, was das Beste für ihr kleines Städtchen ist und verstricken sich dabei in eigenem Machstreben und der Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit.
Die Journalistin und Autorin Şeyda Kurt hat für die Inszenierung von Katrin Plötner am Nationaltheater Mannheim ausgewählte Texte der Hauptfigur neu interpretiert und leiht Dr. Stockmann in deren schleichendem Radikalisierungsprozess ihre messerscharfe Sprache.
Besonderer Dank geht an Michael Bronczkowski für die choreografische Beratung.
Besetzung
Mit
Doktor Thea Stockmann, BadeärztinMaria Munkert
Karl Stockmann, ihr MannChristoph Bornmüller
Peter Stockmann, Stadtrat und Theas BruderMatthias Breitenbach
Regine Kiil, Fabrikbesitzerin und Karls MutterAlmut Henkel
Hovstad, Chefredakteurin der ZeitungSarah Zastrau
Billing, Mitarbeiter der ZeitungOmar Shaker
Aslaken, Herausgeber der ZeitungPatrick Schnicke
RegieKatrin Plötner
BühneBettina Pommer
KostümeLili Wanner
MusikMarkus Steinkellner
VideoKarolina Serafin
LichtBernard Häusermann
DramaturgieJulia Hagen
Kunst & VermittlungRonja Gerlach
Pressestimmen
»Erschreckend aktuell!« (SWR2, 13.03.2023)
»Gekonnt arrangiert und packend inszeniert.« (Rhein-Neckar-Zeitung, 13.03.2023)
»Ein gelungener Abend […], der in 90 Minuten keine Sekunde langweilig ist. Schauspiel im besten Sinne, nur dank Text, exzellent aufspielendem Ensemble, und klugem Konzept – entsprechender Applaus.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Das Publikum klebt förmlich an den Lippen der furios spielenden Maria Munkert.« (Rhein-Neckar-Zeitung, 13.03.2023)
»Die Akteurinnen und Akteure spielen, als ginge es um ihr Leben, oder wenigstens darum, Bewusstsein und Gewissen des Publikums zu erobern. Allen voran die erstaunliche und von der ersten Sekunde an fesselnde Maria Munkert als die Wahrheit sprechende Badeärztin […]. Munkert legt hör- und sichtbar ihr ganzes Schauspielherz in die Figur der "Doktorin Stockmann" – durchbricht immer wieder die "vierte Wand", um dem Publikum die volle Emotionspalette entgegenzuschleudern. Matthias Breitenbach in der Rolle des älteren Bruders und Stadtrats Peter Stockmann brillierte mit komödiantischer Cholerik, wie er stets zwischen machthungrigem Antagonisten und verängstigtem Bauernopfer seiner Unterstützer und Geldgeber schwankt. Dann ist da noch Patrick Schnicke in der Rolle des Zeitungsherausgebers und "Volksverstehers" Aslaksen, die er so wunderbar schmierig anlegt, dass er als perfekter Opportunist locker durch beide Lager rutscht.« (Nachtkritik, 11.03.2023)
»Der Weg zur Meinung ist Katrin Plötners theatralischer Auftrag. Der naturalistische Reigen beginnt in der Familie: Mit Bruder Stadtrat sind die Fronten schnell klar, mit der kapitalismuspragmatischen Unternehmerschwiegermutter (gekonnt pointiert: Almut Henkel) dauert es etwas länger, am längsten freilich beim liebenden Gatten (stille, große Komik: Christoph Bornmüller).« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Sarah Zastrau, Omar Shaker und Patrick Schnicke entwickeln das Ibsen-bekannte Dilemma luzide und mit viel „Kir Royal“.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Matthias Breitenbach hat ein kommunalpolitisches Auftreten, ist im großspurigen Tennisdress und mit goldener Pilotenbrille (Kostüme: Lili Wanner) eine grandiose Studie rotarisch-jovialer Männer-Vorort-Herrlichkeit.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Die Bearbeitung des Berliner Dramaturgen Florian Borchmeyer spitzt das alte Stück volle Breitseite auf die brisanten Themen unserer Zeit zu. Die radikale Sprache der scharfsinnigen Journalistin Şeyda Kurt kennt keine rhetorischen Tabus und wühlt sich tief ins Gewissen, wie auch Katrins Plötners knallige Inszenierung auf Scham und Schuldbewusstsein des Publikums zielt.« (Nachtkritik, 11.03.2023)
»Florian Borchmeyers Neufassung des Textes wirkt zusammen mit den von Şeyda Kurt geschriebenen und als Video projizierten Anklagen Theas in keiner Sekunde aufgesetzt oder anbiedernd zeitgeistig, sondern packend, direkt und klar. Ironische Zwischentöne oder charakterliche Abgründe lassen das Ganze vieldeutig schillern. Eine Ibsen-Überschreibung von ganz eigener Qualität, die es verdient hätte, auch andernorts nachgespielt zu werden.« (Rhein-Neckar-Zeitung, 13.03.2023)
»Die aktualisierende Textfassung von Florian Borchmeyer ist im doppelten Sinne „natürlich“ heutig und bekommt auf Franklin mit Şeyda Kurts journalistisch-essayistischen Texteinschüben einen noch heutigeren Schliff.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Der moralische Zerfall der Stadt und ihrer Gesellschaft wird auch mithilfe des Bühnenbildes von Bettina Pommer höchst überzeugend veranschaulicht: Die Akteure spielen auf Dächern. Sie liegen, rutschen, balancieren und stolpern auf ihnen herum, erklimmen abwechselnd die Spitze und stürzen wieder hinab.« (Nachtkritik, 11.03.2023)
»Unbedingt erwähnt werden soll noch das großartige Bühnenbild von Bettina Pommer: sie schafft aus Holz eine Dächerlandschaft auf der die Schauspielerinnen und Schauspieler herumklettern, abrutschen, nach Halt suchen, um Balance bemüht sind, von oben herab auf andere schauen oder sich verstecken. Dass die Inszenierung von Katrin Plötner so viel Drive hat, ist auch diesem Bühnenbild zu verdanken!« (SWR2, 13.03.2023)
»Gekonnt arrangiert und packend inszeniert.« (Rhein-Neckar-Zeitung, 13.03.2023)
»Ein gelungener Abend […], der in 90 Minuten keine Sekunde langweilig ist. Schauspiel im besten Sinne, nur dank Text, exzellent aufspielendem Ensemble, und klugem Konzept – entsprechender Applaus.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Das Publikum klebt förmlich an den Lippen der furios spielenden Maria Munkert.« (Rhein-Neckar-Zeitung, 13.03.2023)
»Die Akteurinnen und Akteure spielen, als ginge es um ihr Leben, oder wenigstens darum, Bewusstsein und Gewissen des Publikums zu erobern. Allen voran die erstaunliche und von der ersten Sekunde an fesselnde Maria Munkert als die Wahrheit sprechende Badeärztin […]. Munkert legt hör- und sichtbar ihr ganzes Schauspielherz in die Figur der "Doktorin Stockmann" – durchbricht immer wieder die "vierte Wand", um dem Publikum die volle Emotionspalette entgegenzuschleudern. Matthias Breitenbach in der Rolle des älteren Bruders und Stadtrats Peter Stockmann brillierte mit komödiantischer Cholerik, wie er stets zwischen machthungrigem Antagonisten und verängstigtem Bauernopfer seiner Unterstützer und Geldgeber schwankt. Dann ist da noch Patrick Schnicke in der Rolle des Zeitungsherausgebers und "Volksverstehers" Aslaksen, die er so wunderbar schmierig anlegt, dass er als perfekter Opportunist locker durch beide Lager rutscht.« (Nachtkritik, 11.03.2023)
»Der Weg zur Meinung ist Katrin Plötners theatralischer Auftrag. Der naturalistische Reigen beginnt in der Familie: Mit Bruder Stadtrat sind die Fronten schnell klar, mit der kapitalismuspragmatischen Unternehmerschwiegermutter (gekonnt pointiert: Almut Henkel) dauert es etwas länger, am längsten freilich beim liebenden Gatten (stille, große Komik: Christoph Bornmüller).« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Sarah Zastrau, Omar Shaker und Patrick Schnicke entwickeln das Ibsen-bekannte Dilemma luzide und mit viel „Kir Royal“.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Matthias Breitenbach hat ein kommunalpolitisches Auftreten, ist im großspurigen Tennisdress und mit goldener Pilotenbrille (Kostüme: Lili Wanner) eine grandiose Studie rotarisch-jovialer Männer-Vorort-Herrlichkeit.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Die Bearbeitung des Berliner Dramaturgen Florian Borchmeyer spitzt das alte Stück volle Breitseite auf die brisanten Themen unserer Zeit zu. Die radikale Sprache der scharfsinnigen Journalistin Şeyda Kurt kennt keine rhetorischen Tabus und wühlt sich tief ins Gewissen, wie auch Katrins Plötners knallige Inszenierung auf Scham und Schuldbewusstsein des Publikums zielt.« (Nachtkritik, 11.03.2023)
»Florian Borchmeyers Neufassung des Textes wirkt zusammen mit den von Şeyda Kurt geschriebenen und als Video projizierten Anklagen Theas in keiner Sekunde aufgesetzt oder anbiedernd zeitgeistig, sondern packend, direkt und klar. Ironische Zwischentöne oder charakterliche Abgründe lassen das Ganze vieldeutig schillern. Eine Ibsen-Überschreibung von ganz eigener Qualität, die es verdient hätte, auch andernorts nachgespielt zu werden.« (Rhein-Neckar-Zeitung, 13.03.2023)
»Die aktualisierende Textfassung von Florian Borchmeyer ist im doppelten Sinne „natürlich“ heutig und bekommt auf Franklin mit Şeyda Kurts journalistisch-essayistischen Texteinschüben einen noch heutigeren Schliff.« (Mannheimer Morgen, 13.03.2023)
»Der moralische Zerfall der Stadt und ihrer Gesellschaft wird auch mithilfe des Bühnenbildes von Bettina Pommer höchst überzeugend veranschaulicht: Die Akteure spielen auf Dächern. Sie liegen, rutschen, balancieren und stolpern auf ihnen herum, erklimmen abwechselnd die Spitze und stürzen wieder hinab.« (Nachtkritik, 11.03.2023)
»Unbedingt erwähnt werden soll noch das großartige Bühnenbild von Bettina Pommer: sie schafft aus Holz eine Dächerlandschaft auf der die Schauspielerinnen und Schauspieler herumklettern, abrutschen, nach Halt suchen, um Balance bemüht sind, von oben herab auf andere schauen oder sich verstecken. Dass die Inszenierung von Katrin Plötner so viel Drive hat, ist auch diesem Bühnenbild zu verdanken!« (SWR2, 13.03.2023)
Mi, 29.03.2023, 20:00 Uhr
Ludwigsburg
Sa, 01.04.2023, 19:30 Uhr
Sa, 22.04.2023, 19:30 Uhr
So, 23.04.2023, 15:00 Uhr
Do, 04.05.2023, 19:30 Uhr