Zeitfenster Nr. 48

Hiekumme zum un Hämkumme vum Theader

Heutzutage sitzt, steht oder promeniert man üblicherweise während des Theaterbesuchs. Um zu einer analogen Vorstellung rein physisch ins Theater zu kommen, bedarf es einer aufwändigeren Mobilität. Nicht jede*r Theaterinteressierte in Mannheim hat das Glück, zu Fuß zum Nationaltheater gehen zu können. Die Mannheimer Mobilitätsgeschichte machte es jedoch zu allen Zeiten möglich, den Weg zum Theater zu finden.
Zunächst nutzte man die Pferdekutsche. In Nähe des alten Nationaltheaters warteten Einspänner auf Kundschaft. Danach existierten mehrere Transportmöglichkeiten zeitgleich. Um die Jahrhundertwende ersetzte die elektrische Straßenbahn eine von Pferden gezogene Bahn. Parallel zum ausgehenden Pferdezeitalter hatte der damalige Siegeszug des Verbrennungsmotos begonnen. Um 1900 geriet dessen Mannheimer Produktion in eine Stagnation bzw. die Konkurrenz blieb nicht untätig. Benz & Co. gründete daher eine deutsch-französische Arbeitsgruppe zur Entwicklung der neuen Baureihe »Parsifal«. Sie versuchte die französischen Fahrzeugkonstruktionen mit den deutschen Motoren zu kombinieren, wurde aber erst nach nochmaliger »deutscher« Überarbeitung ein Erfolg. Das ursprüngliche Team war zuvor im Streit auseinandergegangen.
MARCHIVUM, Bildsammlung, KF042048
In der Anfangszeit von Benz, als man um 1888 den dreirädrigen Patent-Motorwagen in T 6, 11 herstellte, war vor allem auf Bertha Benz Verlass. Sie war die erste Frau am Steuer überhaupt. 1896 wurde August Horch vorübergehend Leiter des Motorwagenbaus bei Benz. Dem späteren Audi-Gründer stand die Theaterwelt ein wenig näher. Seine zweite Frau war Opernsängerin. Sie trat als Else Kolmar, dann als Else Moll bzw. Else Mollini auch in Bayreuth auf. Die Schauspiel-Bühne erreichte das Thema »Auto« 1908 auch in Gestalt einer Rolle. Der Rennfahrer Hugo Jörgensen erhöhte in Gustav Wieds Satyrspiel 2 x 2 = 5 das Tempo. Zehn Jahre früher hatte man es noch mit Kutschern und Fuhrherren zu tun, z.B. in dem Lustspiel Als ich wiederkam…. von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg. Eisenbahnverbindungen sind auf beiden Theaterzetteln nicht zu finden. Kam das Schauspiel-Publikum etwa nicht aus der Region?
Auto- bzw. Rennfahren war zwar spannend, konnte aber mit allerlei Gefahren verbunden sein. Auch die in Mannheim zum Stadtjubiläum 1907 sehr erfolgreich gastierende Tänzerin und Choreografin Isadora Duncan (1877-1927) hätte sich dies bewusst machen können, als sie mit einem Rennfahrer am Steuer in ihren Bugatti stieg. Das tragische Ende dieser Fahrt ist bekannt. Sicherer war die Fahrt mit der Eisenbahn. Der erste Bahnhof in Mannheim entstand am Tattersall 1840, 1867 baute man eine Rheinbrücke für den Eisenbahnverkehr und 1876 nahm der Hauptbahnhof an der heutigen Stelle seinen Betrieb auf. Die bürgerliche Besucherschaft nutzte diese Chance, auf diese Weise nach Mannheim ins Theater zu kommen. 1841 gab es das Angebot, im Anschluss an das Akademiekonzert um 10 Uhr von Mannheim nach Heidelberg mit der Eisenbahn nach Hause zu fahren. Dies war der letzte Zug, den die »hohe Post- und Eisenbahndirektion« zu diesem Zweck so terminiert hatte. Das Theater dankte es, indem es die Bahnverbindungen auf gedruckten Theaterzetteln bekannt machte. Dem Konzert- und Theaterbesuch als regionales Ereignis stand immer weniger im Wege. 1849 setzte man mit der Bahn über den Rhein. Der Ludwigshafener Karl Laux beschreibt die Chronologie dieser Entwicklung:
»Ludwigshafen meldet sich. Eine Mitteilung des Großherzoglich badischen Hauptzollamtes vom 4. Dezember 1849 besagt, daß dem Brückenmeister die Weisung erteilt wurde, ‚auch an jenen Tagen, an welchen hier musikalische Akademien und Konzerte stattfinden, die fliegende Brücke abends 10 Uhr noch nach Ludwigshafen abgehen zu lassen.‘«
Die »Fliegende Brücke« war eine traditionelle Form, den Fluss mittels einer Kombination von Schiffen und darauf montierten Plattformen zu überwinden. Die Einzelteile waren nicht allzu fest verbunden, sondern wurden bei Bedarf entsprechend zusammengeführt. Laux schreibt 1857 von »Extra-Eisenbahnfahrten« nach Frankenthal, Worms, Speyer und Neustadt nach Ende der Veranstaltungen. Mit Entstehung der Eisenbahnbrücke 1867 war die Reise noch bequemer und schneller geworden. Einmal ungeachtet einer Anreise per Schiff- oder Flugzeug (ab 1926) kam es zu steigendem Autoverkehr beim Besuch des Nationaltheaters. Seit 1935 gab es eine Autobahn nach Mannheim. Zur Bauzeit des Nationaltheaters von 1954 bis 1957 erkennt man auf den zahlreichen Fotos Automobile für das Gewerbe, das Militär oder eben den privaten Gebrauch. Ein Parkplatz wurde auf dem Goetheplatz vorgesehen und rege genutzt. Die Karossen wurden insbesondere von Robert Häusser im besten (Nacht)licht imposant in Szene gesetzt. Aufgrund der städtischen Lichtstrategie (ZF 26) verließ das Publikum nach dem abendlichen Theaterbesuch gut beleuchtet durch den gläsernen Pavillon und unter den Arkaden regengeschützt das Haus. Die Straßenbahn-Haltestellen waren in unmittelbarer Nähe gelegen:
MARCHIVUM, Bildsammlung, AB00667-100

Straßenbahnen dienten schon zu Zeiten des alten Nationaltheaters zur regen Kommunikation über‘s Theater. Der leitende Kapellmeister Emil Nikolaus von Reznicek (1860-1945) erinnert sich:
»Anno dunnemals kam es mir oft vor, daß mir ein biederer alter Arbeitsmann, den ich gar nicht kannte, auf dem Spaziergang oder der Elektrischen Ratschläge gab, wie ich den Lohengrin oder die Euryanthe besetzten sollte…«
Hin und wieder gab es später eine Theater-Straßenbahn, die zur Werbung für das Theater unterwegs war. Alternativen Umgangsweisen mit Fortbewegungsmitteln inspirierten die Festival-Aktivitäten des Hauses immer wieder. Für die Schillertage ließ man alte Fahrräder aufarbeiten und durch die Stadt fahren. Ihre Botschaften stifteten Anlässe, über die eigene (gedankliche) Mobilität zu reflektieren:
Fahrräder mit quadratischer Klingel der Schillertage 2013

Dr. Laura Bettag
Bildnachweise, Literatur und Links:
  • Kachelbild: MARCHIVUM, Bildsammlung, AB00001-197
  • Nationaltheater-Orchester (Hg.)(1929). 150 Jahre Musikalische Akademie des Mannheimer Nationaltheater-Orchesters 1779-1929. Jubiläumsschrift. Mannheim: Bensheimer, S. 35 – 37 und 60.
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