Zeitfenster Nr. 18

Das Mosaik-Theater von Curth Georg Becker

Das zweiteilige Bildmosaik rechts und links des Zutritts ist nur zu sehen, wenn man bereits im Großen Foyer des Theaters ist oder durch die Glasfläche von der Hebelstraße aus auf die gegenüberliegende Wand schaut. Es passt sich so harmonisch in seine Umgebung ein, dass es manchem noch gar nicht aufgefallen sein mag. Entsprechend spärlich sind auch die Informationen in der kunsthistorischen Literatur. Schöpfer des Mosaiks ist der in Singen geborene und verstorbene Curth Georg Becker (1904 – 1972). Steht man vor dem Mosaik, trägt das links zum Opernhaus liegende Mosaik den Titel Das heitere Theater:
Der zweite Teil ist zum Schauspielhaus gelegen und nennt sich Das ernste Theater:
Für die Gestaltung durch das Bildmosaik gab es wie für die Tapisserien und das Außenmosaik noch andere Entwürfe. Diese stammten von Rudi Baerwind und Paul Berger-Bergner und wurden in der Festschrift von 1957 in schwarz-weiß abgebildet. Curth Georg Becker erhielt den Auftrag. Bei der Fertigung des Mosaiks arbeitete er eng mit der Kressbronner Werkstatt von Berthold Müller-Oerlinghausen zusammen. Das Mosaik wurde pünktlich zur Eröffnung fertig gestellt und weist seitdem keinen Sanierungsbedarf auf.
Wer war Curth Georg Becker und welcher Ästhetik folgte er in seinem Werk?
Becker französisierte seinen Vornamen von Kurth auf Curth und trug Baskenmütze. Er entwickelte wie viele andere eine Affinität zu Frankreich und Italien, wohin er schon in den 30er-Jahren gereist war. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, lebte er zunächst am Bodensee. 1959 eröffnete er ein weiteres Atelier in Montagnola im schweizerischen Tessin.
Sein Mosaik des heiteren Theaters ist durch das Harlekin-Motiv aus der Commedia dell‘ arte geprägt. Im Unterschied zu Hans Leistikow (s. Zeitfenster 14) verzichtet Becker bei den Figuren auf Masken, sie musizieren und es gibt Frauengestalten. So hält Harlekins Pendant als Columbine eine Mandoline im Schoß. Ein weiterer Harlekin spielt Gitarre zu einer Tanzszene, bestehend aus einer klassischen Tänzerin in einem hautengen weißen Trikot und schwarzen Handschuhen. Neben ihr tanzt ein Harlekin mit einem blau-weiß-roten Kostüm und einem gelb-goldenen Schellentamburin. Zu Füßen der Ballerina liegt ein Blumenstrauß, der ihr aus dem Zuschauerraum zugeworfen zu sein scheint.
Becker huldigt damit Frankreich als dem Entstehungsland des Balletts. Darüber hinaus zeigt dies, welchen hohen symbolischen Stellenwert der Tanz in der Nachkriegszeit besaß.
Der zweite Teil des Mosaiks Das ernste Theater ist dem gesprochenen Drama gewidmet. Im linken Bereich erkennt man Elemente des antiken griechischen Theaters: ein in weiß gewandeter Tragödiendichter auf einer Liegestatt trägt seine Verse vor, wobei ihn die Musen und seine geistigen Geschöpfe umringen. Während er erhaben in die Ferne blickt, erhebt sich hinter ihm ein Dämon mit teuflischer Fratze. Dessen Hörner verweisen auf seine Herkunft aus dem Satyrspiel. In der anderen Hälfte des Mosaiks ist ein blondgelockter Schauspieler zu sehen, der einer späteren Theatertradition zuzurechnen ist. Unwillkürlich denkt man an Schiller und das für Mannheim besonders bedeutsame bürgerliche Trauerspiel.
In beiden Teilen seines Mosaiks nutzt Becker eine kubistische Gliederung der Szenerie als Fläche, auf der gleichzeitig mit verschiedenen Perspektiven gespielt wird. Das Licht der Scheinwerferstrahlen fällt von oben und diagonal ein, während wir den Dargestellten frontal gegenüberstehen. Der Bühnenboden scheint teilweise in die Höhe geklappt. So kann Becker den antiken Fußboden mit seinen Blumenmotiven sichtbar machen. Ganz dem ästhetischen Verständnis der 50er-Jahre verpflichtet, reduziert Becker die Räumlichkeit in die Fläche. Er visualisiert die durch die jeweiligen Lichtverhältnisse entstehende Farbigkeit. Becker verweist damit auf die ursprünglichen Gegensätze des Heiteren und des Ernsten, die aber in Raum und Zeit wandelbar sind. Mit dieser Deutung bleibt Becker zudem dem eigenen Werkstoff und dessen antiker Herkunft treu. Das Wort »Mosaik« leitet sich aus dem Lateinischen »opus musaicum« ab, was »Werk der Musen« bedeutet.
Curth Georg Becker hat in Mannheim 1973 noch ein weiteres Mosaik hinterlassen. Es ist im Zugang zum Geschäftsgebäude der Hanse-Merkur frei zugänglich. Realisiert wurde es erst nach seinem Tod.

Dr. Laura Bettag
Literatur
  • Kunstverein Singen (1999)(Hg.). Curth Georg Becker (1904-1972) „… ein Fest für das Auge“. Gemälde. Arbeiten auf Papier. Öffentliche Aufträge und Kunst am Bau. Publikation zur Ausstellung im Städtischen Kunstmuseum Singen, 12. September – 21. November 1999.
  • Das Neue Nationaltheater (1957). Festschrift zur Eröffnung des neuen Mannheimer Nationaltheaters am 175. Jahrestag der Uraufführung der »Räuber«, S. 190-191.
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