Spielräume des NTM: Das Schauspielhaus des Nationaltheaters in seinem architektonischen Grundgedanken

Wer derzeit im Rahmen einer öffentlichen Führung die Möglichkeit hat, einen Blick in den Saal des Schauspielhauses zu werfen, kann ihn aktuell in seiner puristischen Architektur entdecken.
Spielräume
An den Galerien wurden die alten beweglichen Akustikelemente demontiert, die es nie geschafft haben, im Saal eine optimale Akustik zu erzielen. An ihrer Stelle wird es künftig neue Akustiksegel geben, die nicht nur die optische Erscheinung des Saales neu definieren, sondern zeitgleich auch als atmosphärische Saalbeleuchtung dienen sollen. Bevor jedoch die neuen Akustiksegel, die derzeit noch bemustert werden, angebracht werden können, wird der Raum
vollständig leergeräumt. Nur kurze Zeit erscheint das Schauspielhaus des Nationaltheaters in seiner architektonischen Rohheit, bar jeglicher Technik und Bestuhlung. Dadurch sind die Galerien zu beiden Seiten über den Zuschaueraufgängen deutlich zu erkennen – eine Reminiszenz an die Zeit der Eröffnung.

Als 1957 Erwin Piscator das Schauspielhaus mit seiner Inszenierung von Friedrich Schillers »Die Räuber« eröffnete, nutzte dieser die Galerien, um dort jeweils die Böhmischen Wälder und das Haus Mohr einander räumlich gegenüberzustellen. Die Spielfläche befand sich entsprechend dazwischen, während das Publikum zu beiden Seiten, im Zuschauersaal und dem eigentlichen Bühnenbereich, platziert war. Seit seiner Eröffnung hat sich der Saal durch die Errichtung des Bühnenturms im Schauspiel verändert. Auf die Errichtung eines Bühnenturms im Schauspiel wurde
– anders als im Opernhaus – damals aus Kostengründen verzichtet. Erst bei der Sanierung Anfang der 1990er Jahre erhielt auch das Schauspielhaus einen Bühnenturm, infolgedessen ein Portal eingefügt wurde, welches seither den Bühnenbereich und den Zuschauersaal räumlich deutlicher voneinander trennt.

Neben den Galerien tritt die Regiekabine in ihrer architektonischen Anmutung besonders in Erscheinung: In die Deckenkonstruktion integriert, wirkt es so, als schwebe diese frei über dem Saal. Dieser Effekt ist nur deshalb zu erkennen, da die provisorischen Wände ausgebaut wurden, welche das Obere Foyer im Schauspielhaus vom
Zuschauersaal abgetrennt haben. Diese hatten bisher die Funktion, dem Lichteinfall durch die Fensterfront im Oberen Foyer entgegenzuwirken.


Theaterbesucher*innen und Passant*innen als Akteur*innen
Im hinteren Teil des Saals soll mit dem Oberen Foyer des Schauspielhauses wieder ein Teil des Gebäudes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, der in den letzten Jahren dem Publikum verborgen blieb. Entsprechend dem Oberen Foyer in der Oper, verfügt auch das Schauspielhaus über ein ebensolches: Als »Fenster zur Stadt« eröffnet es den Blick auf den Friedrichsring sowie die anliegenden Quadrate und steht aus architektonischer Sicht für
die Transparenz und Offenheit, die das Gebäude vermitteln soll. Immerhin sollte das Nationaltheater Mannheim dem Anspruch gerecht werden, eine materielle Manifestation des demokratischen Grundgedankens der noch jungen Bundesrepublik darzustellen. Jene Glasfront ermöglicht einen wechselseitigen Blick, der Theaterbesucher*innen von oben einen Blick auf die Passant*innen und das Theater der Stadt bietet, während die Theaterbesucher*innen
in exponierter Position selbst zu Akteur*innen auf der bekanntesten Bühne der Stadt werden.
In der Theaterpraxis konnte sich die architektonische Idee in ihrer Umsetzung leider nicht ganz bewähren, sodass Abhilfe geschaffen werden musste. Das Obere Foyer wurde verdunkelt und ist als Lagerraum für die Technik in einen langen Dornröschenschlaf gefallen. Im Zuge der Generalsanierung ist derzeit geplant an dieser Stelle eine Glaswand einzufügen, die während den Vorstellungen abgedunkelt wird, um hier künftig wieder kleinere Veranstaltungsformate und dramaturgische Einführungen zu ermöglichen.

von Dominic Zerhoch

Veröffentlicht im Theatermagazin Mai 2024
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