Neue Stützen für das Spielhaus!

Das Herzstück der Generalsanierung des NTM stellt die Vergrößerung des Orchesterprobensaals (OPS) dar. Vor der Sanierung probten in diesem Saal bis zu 200 Musiker*innen gleichzeitig. Da aufgrund des zu kleinen Raums dabei der arbeitsschutzrechtlich maximal zulässige Schalldruck meistens überschritten wurde, war dies im täglichen Probenbetrieb nur möglich, in dem die Musiker*innen während des Probens einen Gehörschutz trugen. Dass das kein Dauerzustand sein konnte, war klar. Deswegen wird im Zuge der Generalsanierung das Volumen des bestehenden Proberaums vergrößert, in dem man ihn 7m tiefer gräbt. Der Raum wird dann nach der Sanierung so groß sein, dass der beim Musizieren entstehende Schalldruck den zulässigen Werten entspricht und die Musiker*innen unter optimalen akustischen Voraussetzungen arbeiten können.

Aus architektonischer Sicht stellt diese Raumvergrößerung eine der komplexesten Maßnahmen der Generalsanierung dar. Dadurch, dass der OPS innerhalb des Bestandsgebäudes liegt, man also im und unter dem Gebäude tiefer graben muss, wird nämlich in die Gesamtstatik des Gebäudes eingegriffen. Es müssen bei diesem Vorhaben einige tragende Mauerwerkswände und Stahlbetonstützen entfernt werden und bis zur Herstellung der neuen tragenden Stahlbetonbauteile von temporären Abfangkonstruktionen ersetzt werden. Ende des Jahres wurden eine Stahlbetonstütze und zwei Mauerwerkswände entfernt – wie das genau ablief, wollen wir Ihnen hier zeigen:

Um die auf der zu entfernenden Stütze liegenden Lasten umzuverteilen, wurden seitlich von der Stütze zwei hohe stählerne Querträger mit Stahlstützen unter der Doppeldecke des Opernsaals platziert und vorgespannt, so dass die Deckenlasten auf diese übertragen werden konnten (siehe Foto 1).

Foto 1 – Ansicht der stählerne Querträger inkl. Stahlstützen
Danach wurde die Stahlbetonstütze kontrolliert zurückgebaut. Dafür wurde der Stützenkopf händisch zurückgestemmt, die Stahlverstärkung freigelegt und anschließend die Stahlbewehrung mit einem Stahlbrenner abgeschnitten (siehe Foto 2). Damit erfolgte technisch die Umlagerung der Last von der Stütze auf die Abfangkonstruktion.
Foto 2 - gebrannte Armierung
Bei den die Stütze umgebenden tragende Mauerwerkswänden wurde dasselbe Prinzip angewandt, so dass diese dann sukzessive abgebrochen werden konnten. Wie so ein Rückbauprozess ablaufen soll, wird vom Tragwerksplaner ganz genau vorgegeben und auch im Protokoll der ingenieurtechnischen Kontrolle detailgenau dokumentiert (s. Skizze).
Skizze – Auszug aus dem Protokoll der ingenieurtechnischen Kontrolle vom 21.11.2023 (IngenieurGruppe Bauen)
Alles in allem war das ein äußerst spannender Vorgang für alle Beteiligten, bei welchem alle auf der Baustelle kurz die Luft anhielten, denn wäre hierbei etwas schiefgelaufen, wären unmittelbar entsprechende Setzungsschäden im Gebäude aufgetreten.

Selbstverständlich wurde das Verfahren, damit auch nichts schiefgeht, vom Tragwerksplaner Sergio Camacho des Ingenieurbüros „IngenieurGruppe Bauen“ begleitet, der im Vorfeld der statischen Auslegung der Unterstützungsmaßnahmen entsprechend mögliche Eventualitäten wie z.B.: Herstellungstoleranzen, Vorverformungen und mögliche höhere Lasten während der Bauphase eingeplant hatte.

Alles lief soweit glatt, sodass die bisher tragenden Bauteile nach 66 Jahren ihre Arbeit im Spielhaus einstellen konnten!

Veröffentlicht im Theatermagazin Januar 2024
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