Das Haymatministerium

»Vatermal«
Lesung von Necati Öziri im Gespräch mit Selma Wels

»Ich möchte dir für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer ich war. Du sollst erfahren, wie es deiner Familie in Deutschland ging, wie der letzte Sommer meiner Jugend war, bevor fast alle meine Freunde verschwunden sind. Du sollst wissen, wie es war, als deine alten Freunde mir auf die Schulter klopften und sagten, ich würde irgendwann werden wie du: Held einer gescheiterten Revolution. Ich werde diese Geschichten aufschreiben.«

Ein junger Mann kämpft im Krankenhaus mit Organversagen und in seinem Abschiedsbrief an seinen abwesenden Vater lässt er sein bisheriges Leben Revue passieren: Herausforderungen mit der alkoholkranken Mutter; Erinnerungen an die Schwester, die von zuhause weglief; die endlosen Stunden im Ausländeramt … Aber er erinnert sich auch an die erste Liebe und die kostbare Zeit mit seinen Freunden Savaş, Bojan und Danny. »Wütend, schlagfertig, witzig und zart,« beschrieb die Jury den Roman »Vatermal« von Necati Öziri, der für die Shortlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises nominiert wurde. »Seine jugendlichen Helden suchen Orientierung in einer Gesellschaft, in der sie nie wirklich ankommen.« Der ehemalige Hausautor Necati Öziri kehrt mit »Vatermal« ans NTM zurück und in einer Lesung und Gespräch mit der Autorin und Kuratorin Selma Wels stellt er seinen Debütroman vor.

Mit:
Necati Öziri, geboren in einer der vielen grauen Ecken des Ruhrgebiets (»Hölle Hölle Hölle!«), hat Philosophie, Germanistik und Neue Deutsche Literatur in Bochum, Istanbul und Berlin studiert. Er lebt in Berlin sein drittes Leben, schreibt, macht Theater und manchmal einen auf Intelelli, wofür ihm sein sechzehnjähriges Ich wahrscheinlich eine Schelle verpassen würde. In seinen Texten ist natürlich alles wahr. Öziri war Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung und unterrichtete an der Ruhr-Universität Bochum formale Logik, bis er feststellte, dass Logik die Welt nicht besonders gut beschreibt. Seitdem versucht er zu schreiben, nicht wie die Welt ist, sondern wie sie sich anfühlt. Er ist erbitterterer Feind von Kälte, Lactose und Kurz-Biographien. Als Theaterautor schreibt er für das Maxim Gorki Theater, das Nationaltheater Mannheim und das Schauspielhaus Zürich. Öziri trifft sich regelmäßig mit alten Versionen seiner selbst, sie sitzen in Schulheften voller Kaffeeflecken herumblätternd auf dem Boden von Ämtern und warten (worauf eigentlich?) oder sie chillen auf Bänken am Bahnhof und bieten ihm einen Joint an. Bei den 45. Tagen der deutschsprachigen Literatur (Ingeborg-Bachmann-Preis) gewann er den Kelag-Preis und den Publikumspreis. Als Kurator leitet er zudem das Internationale Forum des Theatertreffens der Berliner Festspiele. Bei Wut und anderer Erregung dunkelrote Färbung der Ohren.

Moderiert von:
Selma Wels ist Autorin, Moderatorin und Kuratorin und erhielt 2017 den KAIROS- Preis. Im Literaturhaus Frankfurt hat sie das »Wir sind hier – Festival für kulturelle Diversität« initiiert und geleitet. 2022 folgte die Veranstaltungsreihe »Riot Now!« in Berlin. Im selben Jahr wurde sie in die Jury des Deutschen Buchpreises berufen. 2023 erschien in ihrer Herausgeber- und Mitautor*innenschaft die Anthologie »anders bleiben - Briefe der Hoffnung in verhärteten Zeiten« beim Rowohlt Verlag Hamburg.

Alle Termine

Aktuell keine Termine.