Wie man mit Toten spricht – Як говорити з мертвими

von Авторка: Anastasiia Kosodii
ins Deutsche übersetzt von перекладено на німецьку мову Lydia Nagel | Uraufführung | Auftragswerk / ПРЕМ‘ЄРА | Твір на замовлення

Dauer 1 Std 45 Min, keine Pause
Sprache In deutscher und ukrainischer Sprache Німецькою та українською мовами
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gibt es einen Riss zwischen dem was war und dem, was ist. Bachmut, einst die Stadt der Rosen und des Champagner, in deren weitläufigen Gipsstollen Krimsekt lagerte und deren Salinen den Kranken Heilung versprachen, ist heute eine der blutigsten Kriegsschauplätze. Mariupol, vor kaum einem Jahr noch eine vibrierende Kulturmetropole am Meer, liegt in Ruinen. Bevor der Krieg in den Himmel über der Ukraine gebracht wurde, sang niemand das Lied der Sirenen. Niemand musste daran denken, sein Leben für die Integrität der Landesgrenzen zu geben, niemand in einem Sonnenblumenfeld nach Leichen suchen oder die verschütteten Opfer eines Bombenangriff mit einem Spaten ausgraben. Wie lebt man weiter? Wie die Hoffnung nicht verlieren und die Erinnerungen bewahren?
Während der russische Krieg gegen die Ukraine weiter Menschenleben fordert, erzählt Anastasiia Kosodiis Stück von seinen zahlreichen Tragödien, sucht aber auch nach einem Weg umzukehren und den Verlorenen - Menschen und Städten – Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Некролог що прагне переписати себе. В той час як російська війна в Україні продовжує забирати життя, п'єса Анастасії Косодій розповідає про численні трагедії цієї війни, але також шукає спосіб відновити справедливість для загиблих - людей і міст.
Der Inhalt in einfachen Worten
Wie man mit Toten spricht – Як говорити з мертвими
In der Ukraine ist Krieg.
Anastasiia Kosodii kommt aus der Ukraine.
Sie schreibt Theaterstücke und macht die Regie.
Für das Nationaltheater Mannheim hat sie das Theater­stück »Wie man mit Toten spricht« geschrieben.
Das Stück erzählt vom Krieg in der Ukraine.
Die Hauptfigur ist eine junge Frau.
Sie erinnert sich an zwei Freunde.
Die Freunde sind im Krieg gestorben.
Die Frau erinnert sich an die Stadt Mariupol.
In Mariupol hat sie früher Urlaub gemacht.
Heute sind viele Häuser in Mariupol kaputt.
Die Russen kontrollieren die Stadt.
Die junge Frau träumt manchmal.
Sie träumt von einem deutschen Soldaten.
Er will in der Ukraine kämpfen.
Die junge Frau kann in ihren Träumen in Dörfer gehen, die jetzt russische Soldaten kontrollieren.
In der Wirklichkeit ist das nicht möglich.
Es ist zu gefährlich.
Aber in unseren Träumen können wir überall hingehen und wir können mit den Toten sprechen.
Зміст українською мовою
Як говорити з мертвими
Німецькою та українською мовами
Тривалість: 1 год. 45 хв., без антракту

З початком російської військової агресії проти України утворився розрив між тим, що було до, і тим, що є зараз. Бахмут, колись місто троянд і шампанського, де у просторих гіпсових шахтах витримувалося кримське ігристе вино, а соляні шахти обіцяли зцілення хворим, сьогодні є одним з найкривавіших театрів війни. Маріуполь, ще рік тому жвавий культурний мегаполіс на березі моря, лежить у руїнах. До того, як в небі над Україною прогриміла війна, ніхто не співав пісню сирен. Ніхто не думав про те, що йому доведеться віддати життя за недоторканість кордонів своєї країни, нікому не доводилося шукати трупи на полі у соняшниках або діставати з-під завалів тіла тих, хто загинув під час бомбардування. Як жити далі? Як не втратити надію і зберегти пам'ять?
У той час як російська війна в Україні продовжує забирати життя, п'єса Анастасії Косодій розповідає про численні трагедії, але також шукає спосіб повернути назад і відновити справедливість щодо загублених – і людей, і міст.
Hinweise
  • Diese Inszenierung erzählt von der Erfahrung des Krieges. In einzelnen Szenen werden physische und psychische Gewalt, Folter und Verstümmelung beschrieben.
  • In zwei Szenen sind der Klang einer Sirene und ähnliche Töne zu hören.
Trigger warning
  • Цей фільм розповідає про досвід війни. Окремі сцени описують фізичне та психологічне насильство, тортури та каліцтва.
  • У двох сценах можна почути звук сирени та інші подібні звуки.

Der Aufenthalt der Hausautorin Anastasiia Kosodii - Hausautorin der Spielzeit 2022.23 - wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim e. V.
Mit freundlicher Unterstützung von:

Persönliche Eindrücke unserer Sprachpatin

Unsere ukrainische Hausautorin Anastasiia Kosodii erzählt in ihrem Stück »Wie man mit Toten spricht – Як говорити з мертвимиvon від« von den zahlreichen Tragödien des Krieges und von der Hoffnung, die zuletzt stirbt. Die Bühnensprachen des Theaterstücks sind Deutsch und Ukrainisch, es wird in beiden Sprachen übertitelt.

Kateryna Mariash ist Musikerin und selbst aus der Ukraine nach Mannheim geflohen. Sie ist außerdem unsere Sprachpatin für das Stück »Wie man mit Toten spricht – Як говорити з мертвимиvon від«, das kürzlich Premiere feierte. Kateryna hat die Produktion in den Endproben besucht und teilt ihre Gedanken dazu in einem Video-Interview mit uns.

Mit Übertiteln für verschiedene Produktionen in Türkisch, Ukrainisch oder Englisch wollen wir bewusst auf die Mehrsprachigkeit Mannheims eingehen. Unsere Sprachpat*innen besuchen die jeweilige Produktion und geben uns ein persönliches Interview zu ihren individuellen Eindrücken.
Servicehinweis
Karten können Sie auf unserer Webseite, telefonisch unter 0621 1680 150 oder an unserer Theaterkasse in 07, 18 erwerben.
У своїй п'єсі »Як говорити з мертвими« наша постійна авторка – українська драматургиня Анастасія Косодій розповідає про численні трагедії війни та про надію, яка вмирає останньою. П'єса йде німецькою та українською мовами, і для кожної мови є субтитри.

Катерина Мар'яш – музикантка, яка сама була змушена виїхати з України до Мангейма. Вона також є нашою мовною патронесою для вистави »Як говорити з мертвими«, прем'єра якої відбулася нещодавно. Катерина була на фінальних репетиціях вистави та ділиться своїми думками про неї у відеоінтерв'ю.

Ми свідомо не бажаємо залишатися осторонь багатомовності Мангейма, тому супроводжуємо наші п’єси субтитрами турецькою, українською або англійською мовами. Наші мовні патрони та патронеси відвідують відповідну виставу та діляться своїми особистими враженнями від неї в особистих інтерв'ю.
Квитки можна придбати на нашому сайті, за телефоном 0621 1680 150 або у касі театру за адресою: квадрат O7, буд. 18

Interview mit Anastasiia Kosodii

Der magische Moment, der die ganze Sache wert ist.
Ein Interview mit Anastasiia Kosodii
Die ukrainische Dramatikerin und Regisseurin Anastasiia Kosodii ist in der Spielzeit 2022.23 Hausautorin am NTM. Seit 2014 hat sie immer wieder in den umkämpften Gebieten in der Ostukraine gearbeitet und mit ihren Theaterstücken auf die Lage dort wie auch auf der Krim aufmerksam gemacht. Die Dramaturgin Nina Rühmeier sprach im März 2023 mit ihr über das Theaterschaffen unter Kriegsbedingungen und Kosodiis aktuelles Stück »Wie man mit Toten spricht Як говорити з мертвими«, das sie für das NTM geschrieben hat und bei dessen Uraufführung sie auch Regie führt.

Am Anfang dieser Spielzeit, du warst gerade Hausautorin am NTM geworden, haben wir dich schon einmal interviewt. Wie ist es dir seitdem ergangen? Was hat sich verändert?

Seit dem letzten Gespräch bin ich recht häufig in der Ukraine gewesen. Ich habe den ganzen Januar dieses Jahres dort verbracht. Und auch davor, im Sommer, habe ich Lwiw, Kyjiw und Saporischschja, meine Heimatstadt, besucht. Ich habe einige Texte geschrieben, in denen ich versucht habe, auf die eine oder andere Weise über die Invasion und die Realität des Krieges nachzudenken, weil ein Jahr vergangen ist – und neun Jahre seit dem Beginn des Krieges im Osten der Ukraine – und gewisse Dinge können wir schon versuchen zu reflektieren. Abgesehen von den persönlichen Dingen, ist es eine sehr komplizierte Zeit, für mich wie für alle Schriftsteller*innen. Denn all die alten Vorstellungen, nach denen wir gelebt haben, die wir in unserer Kunst angewendet haben, scheinen nicht mehr relevant zu sein. So viele Arten, den Krieg darzustellen, sind beispielsweise heute unmöglich. Und es ist eine ständige Suche nach etwas Neuem im Schreiben als Form und als Sprache.

Du hast es schon angedeutet: Im Winter warst du für eine Theaterarbeit in Lwiw. Wie arbeiten die Theater in den nicht besetzten Gebieten in Zeiten des Krieges?

Nun, die Theater arbeiten. Die meisten von der Regierung finanzierten Theater sind verpflichtet, zu arbeiten, weil sie staatliche Einrichtungen sind. Das war aber auch ein Prozess, weil einige Intendant*innen diese Spielzeit abgesagt haben. Manche haben das Land verlassen und ihnen wurde vom Kulturministerium die Wahl gelassen, entweder bis zum Herbst in die Ukraine zurückzukehren oder zurückzutreten. Und das ist einerseits eine grausame Entscheidung, andererseits aber auch notwendig, weil es unmöglich ist, eine so große Maschine wie ein staatliches Theater zu leiten, wenn man nicht vor Ort ist. Und ich denke, das hat zugleich auch den Leuten, die sich entschieden haben zu bleiben, mehr Möglichkeiten eröffnet, neue Dinge zu tun.

Wie muss man sich den Spielbetrieb vorstellen?

Die Theater entscheiden vieles autonom, zum Beispiel, wie man sich bei Fliegeralarm verhält. Mein Vater ist Schauspieler in Saporischschja. Wenn dort während einer Vorstellung der Alarm losgeht, kann das Publikum in den Luftschutzkeller gehen, aber die Schauspieler*innen nicht. Sie müssen weiterspielen. Das irritiert mich jedes Mal. Denn die Stadt liegt so nah an den besetzten Gebieten, und es bleibt einem nicht viel Zeit, wenn die Raketen erstmal in der Luft sind.

Und inhaltlich? Spiegelt sich der Krieg in den Theaterprogrammen wider?

An den staatlichen Theatern hat sich leider nicht viel geändert. Das Theater in Charkiw wurde mit einer schrecklichen, sexistischen Komödie von Ray Cooney wiedereröffnet: »Too Married Taxi Driver«. Der ukrainische Dramatiker Oleh Michailov schrieb einen Post auf Facebook darüber: »Ich stelle mir zukünftige Bücher über Theatergeschichte vor und jemand fragt: Was haben die Leute im Theater in Charkiw während des Krieges gesehen? – und sie lesen ›Too Married Taxi Driver‹ – Fuck!«
Aber dann gibt es natürlich auch positive Beispiele, wie zum Beispiel das Theater Vie, auch in Saporischschja, auf der Insel Chortyzja. Dort zeigen sie sehr viel zeitgenössische ukrainische Dramatik. Und sie versuchen wirklich, mit allem, was passiert, umzugehen. Die Insel Chortyzja ist größtenteils unbewohnt, aber ein paar Menschen leben doch dort. In den ersten Kriegsmonaten war das Theater ein Luftschutzkeller, denn es war das einzige Gebäude, das überhaupt einen richtigen Keller hatte. Und dann sind sie ein Stück weit zum Theatermachen zurückgekehrt. Momentan gibt es viele neue Leute in der Stadt, weil all die Flüchtlinge aus Cherson, aus der besetzten Teilen der Region Saporischschja und anderen Orten nach Saporischschja gekommen sind. Die Leiterin des Theaters sagt, sie sei überrascht, wie groß der Gesprächsbedarf der Menschen sei. Schon vor der Invasion waren wir dort sehr daran interessiert, nach bestimmten Aufführungen Diskussionen mit dem Publikum zu führen, aber jetzt wird oft eine Stunde lang ein Theaterstück gezeigt und dann eine Stunde diskutiert.
Andere positive Beispiele sind das Lesja Ukrainka Theater und das Jam Factory Art Center, beide in Lwiw, die ziemlich viel machen, und das Theater der Dramatiker in Kyjiw, wo ich arbeite.

Momentan arbeitest du an der Inszenierung deines Stückes »Wie man mit Toten spricht - Як говорити з мертвими«, bei der du auch selbst Regie führst. Was möchtest du den Zuschauer*innen über das Stück erzählen?

Auch wenn das deutsche Publikum jetzt natürlich besser über die Ukraine Bescheid weiß, ist es leider manchmal noch immer schwierig, die gegenwärtige ukrainische Realität zu erklären. Als ich anfing zu schreiben, wusste ich, dass ich über die Ukraine schreiben würde und ich wusste, ich würde über den Krieg schreiben, weil es das ist, was am relevantesten erscheint. Und dann habe ich mir überlegt, wie ich es so gestalten kann, dass es auch von dem lokalen Publikum in Mannheim verstanden wird. Obwohl es sich um eine Geschichte handelt, die an einem ganz bestimmten Ort im Osten der Ukraine spielt, mit ganz bestimmten Menschen und einer Realität, die sehr weit von den Menschen hier entfernt ist, geht es im Kern doch um universelle Fragen zu, nun ja, Abschied und Tod, die jeder in seinem Leben irgendwann einmal stellt. Denn auch wenn nicht jeder den Krieg erlebt hat, so hat doch jeder den Verlust eines Menschen in seinem Leben erlebt und den Verlust eines Ortes, den er sein Zuhause nennt, die unvermeidliche Veränderung der Stadt, in der er aufgewachsen ist. Also, ja, die Fragen, die wir in dem Stück auf einer vielleicht extremen Ebene ansprechen, sind, glaube ich, relevant für die Menschen überall und auch in Mannheim.

Im Stück wird auch das Genre Nachruf erwähnt. Siehst du das Stück selbst als eine Form von Nachruf?

Das Stück ist eine Art Nachruf auf die Menschen und Städte, die wir im letzten Jahr durch den russischen Krieg in der Ukraine verloren haben. Aber es ist auch ein Weg, ihre Geschichten zu erzählen. Also ist es nicht allein ein Nachruf, sondern eine Geschichte über Menschen und Städte, die irgendwann einmal lebendig waren und ein interessantes Leben hatten, von dem nicht viele wissen. Aber ich weiß es und kann davon erzählen. So werden sie in der Zukunft erinnert werden.

Die Doppelrolle als Autorin und Regisseurin kann herausfordern sein. Wie würdest du dieses Arbeiten beschreiben?

Ich mag es, Regie zu führen, auch wenn ich viel mehr Dramatikerin als Regisseurin bin. Ich denke, dass diese beiden Berufe nicht so sehr voneinander getrennt sind, wie es heute oft dargestellt wird. Als ich anfing, Regie zu führen, habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, wie der Theatertext auf der Bühne funktioniert. Es gibt viele Dinge, die man in den Büchern lesen und die jemand anderes einem sagen kann, aber man versteht sie nicht, bis man es selbst macht.
Das Regieführen hat mich auch gelehrt, mit einem Raum und mit Stille auf der Bühne zu arbeiten. Ich erinnere mich daran, wie wir vor langer Zeit unser erstes Amateurtheater in Saporischschja hatten, und zwar in einer alten Mühle, einer mennonitischen Mühle, aus deren Fenstern das Glas herausgebrochen war. Es war Sommer, also war das kein Problem, aber direkt neben der Mühle verliefen Bahngleisen, die Züge fuhren an den offenen Fenstern vorbei. Es war ziemlich laut und es gab keine Möglichkeit, vorherzusagen, wann die Züge kamen, weil die meisten von ihnen Güterzüge waren, wir also keinen Fahrplan für sie hatten. Aber wir spielten unsere Stücke und diskutierten, was wir tun sollten, wenn ein Zug kommt. Sollen wir eine Pause machen? Sollen wir weitersprechen, aber lauter? Und am Ende waren wir uns einig, dass es hier darum geht, mit dem Raum zu arbeiten, ganz handwerklich. Ich erinnere mich an eine Vorstellung, bei der jeder Zug genau im richtigen Moment kam. Natürlich ist das eine Art magisches Denken, aber ich glaube, manchmal funktioniert es – wenn man sich den Raum zu eigen macht, wenn man keine Angst hat, sich dem Publikum zu stellen, wenn das Publikum keine Angst hat, sich einem zu stellen, dann passt es irgendwie. Und das ist für mich dieser kleine magische Moment im Theater, der die ganze Sache wert ist. Das ist der Grund, warum ich Regie führe und warum ich es gerne tue.
Hier in Mannheim werde ich den Text während der Proben weiterentwickeln, und für mich ist das auch eine Möglichkeit, mit den Schauspieler*innen in Kontakt zu treten, ihre Reaktion zu sehen und das Stück dann in die Form zu bringen, die es am Ende haben wird.

Kurz nachdem Du begonnen hast, für das Theater zu schreiben und Regie zu führen, wurde die Krim besetzt und begann der Krieg in der Ostukraine. Deine Arbeit ist seitdem stark von diesem Krieg geprägt. Du hast beispielsweise als Autorin 2019 an dem Projekt »City To Go« teilgenommen, das in drei Städten der Regionen Donezk und Luhansk – Bachmut, Popasna, und Mykolajiwka – aufgeführt wurde. 2021 hast du mit »Crimea 5am« versucht, die Aufmerksamkeit der ukrainischen und internationalen Gesellschaft auf die Menschenrechtsverletzungen auf der besetzten Halbinsel Krim zu lenken. Und in »Wie man mit Toten spricht - Як говорити з мертвими«, suchst du nach Worten, um – auch mit einem deutschen Publikum – über den Krieg zu sprechen. Was wünschst du dir persönlich für dich, als Künstlerin, wenn du an die Zeit nach dem Krieg denkst?

Ich habe gerade einen Film mit dem Titel »We will not fade away (My ne zgasnemo)« von Alisa Kovalenko gesehen. Die Handlung dreht sich im Wesentlichen um sechs Kinder aus einem Ort in der Ostukraine, der direkt an der Front liegt. Ich persönlich war noch nie dort, weil es zu beängstigend ist. Der Ort wurde und wird die ganze Zeit bombardiert. Der Film erzählt, wie sie eingeladen wurden, mit einem berühmten Journalisten einen Berg in Nepal zu besteigen, und wie wichtig das für sie war. Es gibt so viele Orte, die haben kein Theater, kein Kino, nicht einmal eine Buchhandlung, also nichts, keine Bibliothek, nichts. Ich habe noch nie so begabte Kinder wie im Osten des Landes getroffen. Aber es ist verrückt zu sehen, wie sehr sie dort auf Freiwilligenprojekte, die zu ihnen kommen, angewiesen sind, und wie viel diese Projekte ihnen geben. Ich denke also, dass es sehr wichtig ist, weiter in dieser Region zu arbeiten.
Natürlich ist es jetzt ganz anders, weil so viele Städte auf unumkehrbare Weise zerstört sind. In Popasna zum Beispiel wurde die gesamte kritische Infrastruktur wie Licht, Wasser und Gas zerstört. Das heißt, alles muss abgerissen und neu aufgebaut werden. Und auch das Räumen der Granaten und Minen, die Umweltverschmutzung, all diese Dinge ... Damit werden wir umgehen müssen. Aber viele Menschen wollen immer noch unbedingt zurückkehren. Man sieht ja, wie viele Menschen nach Cherson zurückgekehrt sind, als die Stadt befreit wurde, obwohl sie jeden Tag unter schwerem Beschuss steht. Ich denke also, dass wir viel Arbeit vor uns haben.
Und auch auf einer allgemeinen kulturellen Ebene gibt es viel zu tun, denn obwohl Präsident Selenskyj derzeit in den westlichen Medien sehr populär ist, war er nie ein Freund der Kunst, die wirklich Kunst ist, und nicht nur Unterhaltung im Fernsehen. Und ich glaube nicht, dass sich das ändern wird. Ich glaube auch nicht, dass er einen Sinn in Kunst sieht. Das ist also auch unsere Verantwortung.

Trailer

Besetzung

 
Bühne & KostümeOlha Steblak
VideoNikolay Karabinovych
DramaturgieNina Rühmeier
Pressestimmen
»Kosodiis politisches Theater trifft mitten ins Herz in einer Zeit, da Medienbilder der Kriegsopfer zum medialen Alltag geworden sind.« (Theater der Zeit, 03.05.2023)

»Das Stück berührt mit seinem zurückhaltenden Ton. […] Die junge ukrainische Theaterautorin macht hier fast alles richtig. Sie verzichtet darauf, mit faktenvollem Dokumentartheater aufzutrumpfen, listet keine Opferzahlen und Menschenrechtsverletzungen auf, erzählt dafür kleine Alltagsgeschichten, schleicht sich in nächtliche Wohnungen während des Luftalarms, besucht Orte, die es längst nicht mehr gibt, offenbart Träume, Gedanken, Zweifel und spricht mit toten Freunden.« (Die Rheinpfalz, 24.04.2023)

»Vielleicht ist es das, was Theater jetzt leisten muss. Einen Raum bereitzustellen, in dem erzählt, zugehört, gedacht und erinnert werden kann. Ein kurzer Ort des Innehaltens, das Geschenk der geteilten Aufmerksamkeit. Und das Bewusstsein, dass wir alle betroffen sind, weil wir alle Menschen sind.« (Nachtkritik, 23.04.2023)

»Mit feinem Gespür für die Kraft des Dokumentarischen webt Kosodii Interviewsequenzen, Chatverläufe und Zeitungsschnipsel in ihr Stück.« (Theater der Zeit, 03.05.2023)

»Dass die Toten durch das Leben bestimmt werden müssen und nicht durch ihren Tod; dass es die ethische Aufgabe ist, aktiv an das Leben der Verstorbenen zu erinnern, das ist Motivation dieses Texts. Es ist schnell erschütternd, wie es den drei Erzählenden unmittelbar gelingt, dass alle im Raum dieser Menschen gedenken.« (Nachtkritik, 23.04.2023)

»Was die beiden exzellenten Schauspielerinnen (Alina Kostyukova, Annemarie Brüntjen) und ihr ebenso eindrucksvoller Kollege (Leonard Burkhardt) formulieren und reflektieren, folgt keineswegs immer logischen Verlaufsformen mit Handlungssträngen, die zwingend auseinander hervorgehen. Manches erscheint sogar bruchstückhaft, fragmentarisch, als hätten die Zerstörungen in der Ukraine auch die kommunikativen Bezüge der Sprache beschädigt. […] Annemarie Brüntjen erfüllt diese Rolle mit wunderbarem Gespür für die verletzlichen Seiten im Menschen, nie wird etwas bedeutsam aufgewertet, ihr natürliches Erschrecken folgt keiner vordergründigen Psychologie, sondern ist das Ergebnis einer sehr persönlichen Entdeckung ihres Mitgefühls.« (Mannheimer Morgen, 24.04.2023)

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